Und tatsächlich, bevor die Matrosen die Leinen losmachen taucht Ivan mit seiner Familie auf. Ich stelle ihn kurz vor. Ein paar Gäste kennen ihn ja schon, aber nicht alle. Und dann ist er auch schon gleich im Element und lässt den Tourguide raushängen. Er fordert die Leute auf, sich geschlossen anzustellen und zählt durch. Es sind zu viele. Er hat den Cut zu weit vorne in der Schlange gemacht und sagt zu wildfremden Menschen, sie würden doch zu uns gehören, also müsse man sich auch zusammen mit uns anstellen. Schnell ist die Sache aufgeklärt. Allgemeines Gelächter.
Ich bin soooo aufgeregt. Gleich führe ich meine Geburtstagsgäste auf dieses mega schöne Schiff. Ivan erklärt nochmal, dass links, wo die schönen Panoramafenster sind, der VIP-Bereich sei und wir da nicht hin könnten. Dann geht alles ganz schnell. Ticktes brauchen wir gar nicht, Ivan hat nur einen einzigen lächerlichen Zettel, und der gewährt uns allen Einlass. Die Empfangsdame redet mit Ivan drei Takte auf tschechisch und schaut dabei nach links in den VIP-Bereich. Das kann doch jetzt nicht, oder...? Doch, es ist so: wir bekommen die besten Plätze im vorderen Teil auf diesem wunderschönen Glasschiff zugewiesen.
Mit einem Becherovka in der Hand und Erstaunen im Gesicht suchen sich meine Gäste die schönsten Plätze aus. Nun, ich muss an dieser Stelle gestehen, dass mein Budget es nicht hergegeben hat, die Gäste zu diesem Event einzuladen. Vielmehr habe ich alle darum gebeten, einen Unkostenbeitrag zu leisten. Der ein oder andere mag das mit Skepsis aufgenommen haben, aber spätestens jetzt, wo jeder das Schiff gesehen hat und auf seinem Weg zum Tisch das Buffet passiert hat, ist auch der letzte Zweifel verflogen.
Ein 1.000-faches Dankeschön an Ivan darf hier jetzt natürlich nicht fehlen. Es ist so super, ihn zu kennen! Er hat das diesen unvergesslichen Abend erst möglich gemacht. Děkuji moc, Ivane!
Die ersten Getränke werden geordert. Das erste Mal halte auch ich mich nicht an Pivo, sondern genieße meinen Aperol Spritz. Auf diesem Schiff, in dieser Atmosphäre genau DAS richtige Getränk. Dann geht die Fahrt auch schon los. Langsam und fast unbemerkt legt das Schiff ab. Wir gleiten dahin. Es ist schon dunkel geworden und von der Moldau aus die beleuchteten Gebäude und insbesondere die Prager Burg zu genießen, ist ein Traum.
Die Bootstour
Ein weiteres Highlight der Geburtstagstour
Das Buffet wird eröffnet. Trotz der vielen Menschen an Bord geht alles geflissentlich zu. Das Buffet ist super. Leckerer Gulasch, die berühmten tschechischen Knödel und, und, und. Es gibt auch ein tolles Käsebuffet und ein geniales Dessertbuffet. Wer mich kennt, weiß, dass ich grundsätzlich mein Essen fotografiere. Aber ob ihr es glaubt oder nicht, hier habe ich es vor lauter Aufregung glatt vergessen. Ich versuche die Zeit mit jedem meiner Gäste zu nutzen, wir sehen uns alle viel viel zu selten. Die Aussicht ist perfekt. Ich husche auch mal aufs Aussendeck. Es ist frisch. Draußen sitzen ist echt zu kalt. Aber die Aussicht ist natürlich einfach nur unbeschreiblich. Ich habe die Tour ja auch schon zu anderen Jahreszeiten gemacht. Sie ist einfach immer wieder ein Erlebnis. Es wird geklönt und gelacht. Ich glaube alle fühlen sich wohl. Und dann kommt eine Durchsage des Kapitäns. Erst natürlich auf Tschechisch. Aber dann in Englisch und Deutsch. Die Schleuse, die wir passieren müssen, ist defekt. So fahren wir halt nicht durch die Schleuse, sondern fahren im Kreis. Ich bin mir sicher, wenn der Kapitän uns nicht darauf aufmerksam gemacht hätte - es wäre niemandem aufgefallen 😉. Leider, leider saust auch hier die Zeit in Lichtgeschwindigkeit. Die drei gebuchten Stunden vergehen wie im Flug. Einige haben bestimmt gedacht: drei Stunden Schifffahrt sind lange. Aber eigentlich ist es zu kurz. Wir verlassen alle das Schiff und folgen Ivan, der uns auf dem kürzesten Weg zu unserer Straßenbahnhaltestelle bringen will, wo die Tram abfährt, die uns alle zum Hotel bringt. Die kleine Stella ist immer noch fit. Auf dem Schiff wurde sie schon bespasst und ist immer noch nicht müde. Toll, dass sie und ihre Mum heute dabei waren. Gestern bei der Brauerei haben sie gefehlt. Auch hier hält meine Mum durch. Sie hat meinen vollen Respekt❤️ wir kommen an der Haltestelle an und verabschieden uns von Ivan, Barbara und Stella. Sie müssen eine andere Tram nehmen. Alle verabschieden sich, als wenn sie sich schon ewig kennen. Ich liebe solche Begegnungen mit Menschen. In solchen Momenten spüre ich das Leben.
In der Bar trinken Burkhard und ich noch einen Absacker mit meinem Dad. Alle anderen verschwinden auf ihren Zimmern. Was für ein grandioser Tag! Mein Dad ist für uns die Überraschung der Reise. Er war noch niemals vorher in Tschechien und hatte so seine Vorurteile in Sachen Ostblock. Als ich damals meine Geburtstagseinladung nach Prag überreicht habe, sah Begeisterung echt anders aus. Ihm war das alles nicht so geheuer. So eine Reise in den tiefen Osten. Aber schon am ersten Abend schloss er glaube Freundschaft mit Tschechien. Burkhard empfahl ihm Tartar-Schnittchen und gutes Bier gibt es überall. Die Leute sind super nett und sprechen oft zumindest ein bisschen deutsch. Ich hatte in den letzten Tagen immer den Eindruck, er genießt die Zeit hier besonders. Aus der Straßenbahn wollte er gar nicht mehr aussteigen. „Er könnte den ganzen Tag damit rum fahren“ hat er zu mir gesagt. Tja tschechische Rentner können das jeden Tag übrigens kostenlos. Ich freue mich sehr, dass es ihm hier so gefällt und er sich so richtig auf dieses tolle Land einlassen kann. Auch wir verschwinden dann in unsere Betten. Es war ein langer, aufregender Tag. Und morgen brauche ich Kraft. Meine Gäste werden wieder nach Hause fahren. Ich hasse Abschiede. Gute Nacht!