Geliebäugelt habe ich ja schon lange mit einem solchen Gerät, angeschafft habe ich es mir allerdings nie. In erster Linie war natürlich der Preis dafür verantwortlich. Ein solch professionelles Gerät kostet viele hunderte Euros. Andererseits waren natürlich auch die Nachbarn immer ein Grund dafür, ein solches Gerät nicht anzuschaffen. Ich wohne ja bekanntlich in einer Hofanlage, in der die soziale Kontrolle groß geschrieben wird, frei nach dem Motto: Der liebe Gott sieht alles, die Nachbarn noch viel mehr! Was würden die Nachbarn also sagen, wenn ich demnächst die großen Fässer über den Hof rolle?
Mindestens seit 2013 habe ich an meinem Geburtstag nicht mehr gearbeitet. 2013 ging meine Afrika-Reise zu Ende, und ich bin von Johannesburg aus nachhause geflogen. 2014 habe ich Arnaud aus Paris auf den Seychellen kennengelernt und mit ihm ein paar Bierchen auf meinen Geburtstag getrunken. 2015 war ich in Brasilien unterwegs und habe in Rio unter dem Zuckerhut Party gemacht. 2016 fand meine große Prag-Tour anläßlich meines 50. Geburtstages statt, und in 2017 habe ich erstmals mit Bine gemeinsam in der Toskana gefeiert.
Heute, an meinem 54. Geburtstag im Jahre 2020, sieht die Welt ganz anders aus. Große Reisen sind wegen Corona derzeit nicht möglich. Anstatt einen der wenigen Urlaubstage sinnlos zu verprassen, quäle ich mich acht Stunden im Büro. Acht Stunden Nichtstun! Der Laden ist verkauft, da läuft nichts mehr. Bereits vor zwei Tagen habe ich mein erstes Geburtstagsgeschenk erhalten: meinen Aufhebungsvertrag. Alternative ist die betriebsbedingte Kündigung. Tolle Wurst! Meine Laune ist also nicht die allerbeste! Nach großartig feiern ist mir eigentlich nicht wirklich zumute.
Bine hat sich allerdings für den Tag frei genommen und sitzt bei meiner Ankunft bereits erwartungsvoll vor dem Haus. Puh, jetzt heißt es zusammenreißen, damit sie nicht merkt, wie beschissen ich eigentlich drauf bin. Auf dem Tisch steht ein großer Karton. Später stellt sich heraus, dass auf der Verpackung irgendwelche Gartenlaternen abgebildet sind. Blind wie ich bin, deute ich diese aber als Pizzateller. Schließlich wollte ich diese zuletzt noch gekauft haben. Das wäre also naheliegend gewesen. Also muss ich jetzt freudig überrascht tun, schließlich will ich Bine ja nicht enttäuschen.
Meine Freundin von unter der Woche, die kleine, fast dreijährige Isabella, hilft mir beim Auspacken. Ein paar Schnitte hier und da, und dann noch den Tesa-Film ab, und schon geht der Karton auf. Der erste Beutel, den ich aus dem Wust aus Papierschnipseln ziehe, beinhaltet Schläuche. Was kann das sein? Die Verpackung sieht nach Gartenzubehör aus. Vielleicht irgend so ein Frosch für den Vorgarten, der Wasser spuckt? Na klasse, tolle Idee! Wie kann man denn nur so das Geld zum Fenster rauswerfen? Auch wenn es eigentlich unmöglich erscheint: meine Laune verschlechtert sich weiter!
Die totale Begeisterung vortäuschend, ziehe ich den zweiten Beutel aus der Kiste. Da ist eine Bedienungsanleitung drin. PYGMY 25 steht fettgedruckt darauf. Nee, echt jetzt??? Das darf doch wohl nicht wahr sein!!! Das ist doch nicht etwa...???
Doch, tatsächlich, es ist die Zapfanlage, mit der ich schon so lange schwanger gegangen bin! Spontan schießen mir die Freudentränen in die Augen. Ey, Leute, das Teil kostet mit allem Zubehör fast 600 EUR, und Bine schleppt das hier mal so eben zu meinem Geburtstag an. Ich bin fassungslos! Damit habe ich im Leben nicht gerechnet, und das ist für so einen stinknormalen Geburtstag auch total übertrieben. Bine ist total verrückt!
Vor lauter Aufregung merke ich gar nicht, dass das wichtigste Teil, der Bierkoffer selbst, gar nicht im Karton ist. Ich muss also nochmal mit ans Auto. In Bines Kofferraum befindet sich der Rest. Und damit ich die Anlage auch gleich ausprobieren kann, hat Bine gleich auch noch ein 20l-Fass Krombacher mitgebracht.
Wahnsinn! Das Fass hat den ganzen Tag über bei 30° C im Kofferraum gestanden. Bereits wenige Minuten nach Einschalten der Anlage ist das Pils auf 6° C herunter gekühlt. Ein paar Minuten später sind es dann nur noch 4° C. Das schmeckt. Prost!
Tja, was soll ich sagen? Eigentlich bin ich immer noch sprachlos. Seit langer Zeit weiß ich ja schon, was ich an Bine habe. Dass sie die Allerbeste ist, war mir ja schon bekannt. Und trotzdem muss sie immer noch einen draufsetzen! Unfassbar! Total verrückt!
Ganz alleine hat sie den Preis nicht gestemmt. Sie hat bei den Fast-Schwiegereltern Gerda und Rainer, bei meiner Mutter Karin und ihrem Partner Gerd, der Beinahe-Schwägerin Yvonne und den Nachbarn Annika, Marcel, Isabella und Walter im Bauch die Werbetrommel gerührt und Penunzen locker gemacht. An dieser Stelle vielen lieben Dank an Euch alle!
Aber der allergrößte Dank geht an meinen verrückten Schatz: Bine, ich will Dich nie mehr missen! Du bist und bleibst die Allerbeste! Du bist ein Geschenk!